Im Frühjahr 1980 wurde in Zürich ein autonomes Jugendzentrum eröffnet – und ein halbes Jahr später von den Behörden gegen den erbitterten Widerstand seiner Nutzer gewaltsam geschlossen. Daraufhin kam es in der größten Stadt der Schweiz zu tagelangen Krawallen, auf die Hunderte von Festnahmen folgten. Gesucht von der Zürcher Polizei wurde auch ein Unbekannter, der über den Zeitraum von drei Jahren 600 Strichmännchen an die Betonfassaden der vielen Hochhäuser gesprüht hatte.
Doch es sollte lange dauern, bis der Gejagte seinen Häschern ins Netz ging: Festgenommen wurde der mittlerweile per internationalem Haftbefehl gesuchte Sprayer von Zürich auf der deutschen Insel Fehmarn und anschließend der Schweizer Justiz überstellt. Die verurteilte ihn ein Jahr später wegen Sachbeschädigung zu einer sechsmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung und einer Geldstrafe von 100 000 Franken.
Zu diesem Zeitpunkt hatten si ch bereits zahlreiche Proteste aus dem In- und Ausland geregt, unter anderem von Willy Brandt und Joseph Beuys: Harald Naegeli, so hieß der Unbekannte, sei doch in Wirklichkeit ein Künstler. Dass er ein solcher war, bewies Naegeli in der Haftanstalt, deren ursprünglich kahle Wände er erfinderisch gestaltete. Wer ihm wohl das Spray geliefert hatte? Harald Naegeli hat dann auch in der Freiheit weitergesprüht – und tut's bis heute. Längst sehen auch seine Schweizer Landsleute darin keinen Tatbestand der Sachbeschädigung mehr.
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