Die Currywurst wird 50
Es war ein verregneter Abend im September 1949, vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, und Herta Heuwer stand sich in ihrem alten Imbisswagen im amerikanisch besetzten Teil von Berlin, im Westen der Stadt, die Beine in den Bauch.
„Es goss kleene Kinderköppe, keen Mensch war in meiner Bude. Aus Langeweile rührte ich Gewürze mit Tomatenmark zusammen, und es schmeckte herrlich“, erzählte die Geschäftsfrau. Wer hätte ahnen können, dass in diesem Moment ein Nationalgericht entstand? Herta Heuwer hatte die Currywurst erfunden.
Knapp zehn Jahre später, am 21. Januar 1959, ließ sie ihr Saucenrezept unter der Nummer 721319 beim Münchner Patentamt als Marke eintragen. Der Name „Chillup“ stand für die Kombination aus Chili und Ketchup. Das genaue Rezept blieb Heuwers Geheimnis. Doch ihre Idee, eine einfache Brühwurst in einer würzigen Tomatentunke zu servieren, verbreitete sich in ganz Deutschland. Ob die Berlinerin wirklich die Erfinderin der Currywurst war oder ob die Kombination nicht doch in Hamburg oder im Ruhrgebiet zuerst entdeckt wurde, ist bis heute umstritten.
Fest steht: Heute, nach 50 Jahren, ist die Currywurst die Nummer eins an Deutschlands Imbissständen. Trotz Döner, Asia-Snacks und Sushi: „Currywurst und Pommes rot-weiß finden sich nach wie vor am häufigsten auf den Speisekarten der Schnellgastronomie“, sagt der Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts CHD Expert, Thilo Lambracht. Rund 800 Millionen Currywürste werden in Deutschland jedes Jahr gefuttert, 70 Millionen davon allein in Berlin. In der Autostadt Wolfsburg geht eine VW-eigene Currywurst über den Tresen, die in der Region legendär ist sich angeblich mindestens so gut verkauft wie der VW Golf.
Bei Konnopke im Prenzlauer Berg in Berlin stehen schon morgens um sechs die ersten Arbeiter für die Wurstschnitzchen an. Der Imbiss unter der Hochbahn an der Schönhauser Allee gilt als der älteste und beste der Stadt. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder soll hier schon seine Wurst verdrückt haben, ebenso wie der bekannteste Hobbykoch Deutschlands, Talkmaster Alfred Biolek, und Fernsehkoch Tim Mälzer. Überhaupt gehört die Currywurst zum öffentlichen Programm der Prominenz: Politiker zeigen sich gerne beim Biss in die Brühwurst und stellen so ihre Volksnähe unter Beweis.
Denn ursprünglich galt die Currywurst als das „Steak des kleinen Mannes“ - eine massentaugliche Variante des Steaks mit Ketchup, das die amerikanischen Besatzungssoldaten so gerne aßen und das in den 40er und 50er Jahren in Deutschland völlig unbekannt war. Nicht umsonst ist Konnopkes Stand in Berlin nur wochentags von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends geöffnet und bleibt sonntags geschlossen: Die Currywurst ist ein Essen für ehrliche Arbeiter und für Menschen, die fest im Alltag stehen.
„Kommste vonne Schicht, wat schönret gibbet nich als wie Currywurst“, sang Herbert Grönemeyer in den 80ern. Der hemdsärmelige „Tatort“-Kommissar Schimanski ernährte sich von der Currywurst, und seine Kölner Kollegen Ballauf und Schenk haben schon so manchen Fall an ihrer Stamm-Wurstbude am Rhein gelöst. In seiner Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“, deren Verfilmung derzeit im Kino läuft, setzte Uwe Timm den Frauen ein Denkmal, die nach dem Krieg einen Großteil des Wiederaufbaus leisteten.
Mittlerweile bekennen sich auch Gourmets und gehobene Schichten zu dem traditionellen Arbeiteressen. In Hamburg gibt es „Currywurst de Luxe“ aus Rehfleisch oder mit Wasabi und Apfelstückchen gefüllt. Auf dem Kollwitzmarkt im Berliner Prenzlauer Berg werden „Currywurst und Schampus“ kredenzt, und vor dem KaDeWe am Wittenbergplatz stammt das Wurstfleisch aus artgerechter Tierhaltung - vom Frittieröl bis zur Sauce ist alles Bio. In Berlin ist die Currywurst derart präsent, dass eine Privatinitiative ihr sogar ein Museum widmen will. Die Verhandlungen dauern allerdings noch an.
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