
Berlin (dpa) - Nach der Veröffentlichung einer Studie über große Wissenslücken von Schülern beim Thema DDR setzen zahlreiche Politiker auf eine Bildungs-Offensive.
Der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, regte an, die Lehrpläne für den Geschichtsunterricht zu aktualisieren. «Bisher wird die Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg als eine westdeutsche und - wenn noch ein bisschen Zeit übrig bleibt - als eine DDR-Geschichte vermittelt. Mit diesem Nebeneinander muss endlich Schluss sein», sagte der CDU-Politiker der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» (Samstag). Nun seien die Bildungspolitiker der Länder gefordert.
Die Thüringer CDU-Landtagsfraktion forderte von den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, das vom Kultusministerium für 2009 vorbereitete «Jahr der Demokratie» zu nutzen, um ein zutreffendes DDR-Bild zu vermitteln. Durch fehlende zeitgeschichtliche Kenntnisse leide das politische Urteilsvermögen von Schülern, erklärte die jugendpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Beate Meißner, am Samstag in Erfurt. Sie forderte Lehrer, vor allem aber auch Eltern auf, «den Jugendlichen die ganze Geschichte zu erzählen».
Dazu gehöre die private, aber auch die politische Seite. «Wer über Scheinwahlen, fehlende Reisefreiheit, gleichgeschaltete Presse, Mauer und Stacheldraht, Bevormundung und Repression oder den alltäglichen Mangel und Zerfall nicht auch redet, versündigt sich an der kommenden Generation», sagte Meißner laut Mitteilung. Der Vorsitzende der Jungen Union in Thüringen, Mario Voigt, forderte im Gespräch mit dem Radiosender Antenne Thüringen einen Pflichtbesuch von Schülern im Grenzlandmuseum und anderen Gedenkstätten, die an den DDR- Unrechtsstaat erinnern. Der Eintritt in solchen Einrichtungen sollte für Schüler kostenlos sein.
Auch die hessische FDP-Landtagsfraktion sprach sich für eine Änderung der Lehrpläne aus. «Dass DDR und Stasi für Bespitzelung, Unterdrückung der Bevölkerung und in Mauerdrähten und Minenfeldern ermordete Menschen stehen, ist den meisten Schülern nicht bewusst», sagte der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Wolfgang Greilich, laut Mitteilung am Samstag in Gießen. Die deutsche Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg müsse stärker in den Unterricht einbezogen werden.
19 Jahre nach dem Mauerfall wissen viele Schüler aus Ost und West nur sehr wenig über die DDR: In einer am Freitag veröffentlichten Befragung wurde beispielsweise der ehemalige Bundeskanzler und SPD- Chef Willy Brandt von vielen als berühmter DDR-Politiker bezeichnet. Andere meinten, dass es unter Staats- und Parteichef Erich Honecker in der DDR demokratische Wahlen gegeben habe. Die Studie stammt vom Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin. Befragt wurden mehr als 5200 Jugendliche in Bayern, Brandenburg, Nordrhein- Westfalen und Berlin. Die Forscher fanden auch heraus, dass es zwischen Kenntnisstand und Urteil über die DDR einen Zusammenhang gibt: Wer wenig weiß, beurteilt die DDR positiver.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) äußerte sich besorgt über die Ergebnisse der Studie. «Die Wissenslücken mit Blick auf die jüngste Geschichte sind schon frappierend», sagte er der «Stuttgarter Zeitung» (Samstag). Auch Eppelmann äußerte sich betroffen über diese Wissenslücken und betonte: «Wir reden hier aber nicht ausschließlich von einem ostdeutschen Phänomen.» Es gebe viele Jugendliche, die sich für Politik oder Geschichte nicht interessierten. «Wir sprechen über ein generelles Problem, dem Schulen und Universitäten sehr viel mehr Aufmerksamkeit schenken müssen als bisher», sagte Eppelmann.
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