Montag, 7. Dezember 2009

Das Klavier hat sich betrunken

„The piano has been drinking“, heißt einer seiner autobiografischen Songs. Er erzählt vom Leben tingelnder Künstler, das sich in den Stunden nach dem Auftritt auf den deprimierenden Mikrokosmos leerer Flaschen und überfüllter Aschenbecher reduziert. Die Begleitband ist schon abgereist und weit und breit keine Kellnerin zu sehen, um den erlösenden letzten Drink des Abends, aus dem längst schon ein weggeworfener Morgen geworden ist, zu servieren.

Der Künstler hat es vorgezogen, am Klavier sitzen zu bleiben und im immer kleiner werdenden Kreis weiterzuklimpern, und er hat sich auch dann noch nicht zur Flucht aus dem Veranstaltungsraum ins wenige Stockwerke höher gelegene Hotelzimmer aufraffen können, als auch der letzte Gast gegangen ist. Irgendwann ist er auf seinem Hocker eingeschlafen, den Kopf auf den Tasten, noch einmal eins geworden mit dem Instrument. Vielleicht ist es ihm da in den Sinn gekommen, allen seinen Lebenslügen eine weitere hinzuzufügen: „Das Klavier hat sich betrunken. Ich nicht.“

Tom Waits, der Künstler, der 1973 sein erstes Album veröffentlichte, ist immer noch im Geschäft, und er ist ein ganz Großer geworden. Nicht nur mit seinen melancholischen Liedern, die so schräg sind, dass sie sich souverän über alles Weinerliche erheben; auch auf der Leinwand: In Jim Jarmuschs in poetischem Schwarz-Weiß gehaltenen Epos über drei entflohene Sträflinge, Down by Law, wusste Waits ebenso zu glänzen wie im liebevoll-skurrilen Kammerstück Coffee and Cigarettes desselben Regisseurs.

Heute wird er sechzig Jahre alt, was seine Bewunderer angesichts der Tatsache, dass Waits schon immer so aussah, doch ein wenig überraschen mag.

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